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Friedrich Schiller: “Die Räuber” von heute…

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…und gestern: Vatikan, Päpste, Nazi-Regime, Bundesrepublik und wir, der unterdrückt-kriechende Mensch, sein Weg zu mehr Selbstbestimmung und Wahrheit.

Friedrich Schiller hat es wie nur ganz wenige Schriftsteller verstanden, in höchst beeindruckender-weise Geradlinigkeit, Wahrhaftigkeit und Idealismus dramatisch, mitunter tragikkomisch darzustellen.

Mit Blick auf Schillers Dramen „Die Räuber“ (Bild: Altes Theaterplakat), „Don Carlos“, oder auch „Wilhelm Tell“ lässt sich begründeterweise sagen, dass es keinem Schriftsteller in der gesamten Literaturgeschichte besser gelungen ist als ihm, auf einem hervor-ragenden literarischen Niveau alle Höhen und Tiefen, Gründe und Abgründe der menschlichen Psyche zum Klingen zu bringen.

Auch der große russische Romancier Fjodor Dostojewski, dem ja ebenfalls eine imponierende Variationsbreite der Empfindung und Emotionen attestiert wird, begeisterte sich in besonderem Maße für Schillers unbestechlichen Idealismus.
Seine Begeisterung für Schiller ging so weit, dass er seinen Kindern aus seinem Lieblingsdrama „Die Räuber“ vorzulesen pflegte.

Ein Grundanliegen Schillers in „Die Räuber“ ist das auch heute noch höchst aktuelle Verhältnis von „Terrorismus und Idealismus“. Auch das höchst unterhaltsame und an vielen Stellen sehr humorvolle Drama „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“ besitzt diese Aktualität, zumal es sich mit dem Themenkreis „Revolution, Machtmissbrauch, Diktatur und Tyrannenmord“ auseinandersetzt.

Besonders im Gedankendrama „Don Carlos“ werden Tyrannei und Kadavergehorsam, aufrechter Gang und individuelles Gewissen in ständiger spannender Entgegensetzung tiefschürfend analysiert.

In vielen seiner Gedichte plädiert Schiller daher auch für ethische Eigenständigkeit und eine eigene innere Spiritualität des Menschen, die unabhängig vom Glauben an eine bestimmte Religion, Konfession oder kirchliche Organisation bestehen könne. Dem polytheistischen Gedicht „Die Götter Griechenlands“ liegt die pantheistische Idee zugrunde, dass die „Menschen göttlicher“ waren, als die „Götter menschlicher“ gewesen sind.

Entsprechend schrieb Schiller unter dem Titel „Die Peterskirche“: „Siehst du das Unermessliche hier? Du hast dich geirret. Meine Größe ist die, größer zu machen dich selbst.“

Unter dem Titel „Mein Glaube“ heißt es (in den „Tabulae Votivae“ / Votivtafeln! von Schiller und Goethe):

„Welche Religion ich bekenne? Keine von allen, die du mir nennst! Und warum keine? Aus Religion.“

Kirche & Vatikan

Die Falschmünzung der Wahrheit durch Kirchenfürsten lässt sich bis zum heutigen Tag erstaunlich oft feststellen. So ließ sich der Wojtyla-Papst Johannes Paul II. als größter Friedensfürst der Erde feiern, weil er auf der Woge der (berechtigten) Empörungen gegen den Irakkrieg mitschwamm, nachdem er vorher zu Clintons Militärschlag gegen die irakische Zivilbevölkerung, zu Afghanistankrieg, zu den Verbrechen Scharons, Baracks und Netanjahus an den Palästinensern, dem Nato-Bombardement Serbiens, geschwiegen hat.

Seine Nachfolger Joseph Ratzinger und nun Papst Franziskus reihen sich nahtlos ein, viele systemkonforme – am Rande pseudokritische – Reden werden gehalten, doch der Machterhalt und die Kontrolle der gläubigen Schafe steht über der Wahrheit und Freiheit.

Wahrlich, Friedensfürsten, wie sie im Buche stehen!

Zum verlogenen Ideal der kirchlichen Bescheidenheit und Demut passt auch der päpstliche Wahn, „Stellvertreter Gottes“ auf Erden zu sein. Dass er sich außerdem die Titel „Beherrscher des Erdkreises“ und „Meister des Universums“ zugelegt hat, wissen die wenigsten, weil diese Titel von Päpsten des Mittelalters erfunden wurden. Aber es ist doch bezeichnend, dass kein Papst des 19., 20. oder 21. Jahrhunderts auch nur im Traum daran dachte, diese Titel zu streichen.

Auch leugnet die Kirche gern und häufig das Fehlen eines ökologischen Engagements und ihre tierfeindliche Haltung. Dennoch betont sie weiterhin die Seelenlosigkeit der Tiere und segnet die Jagd und die Jäger.

Was der Räuberhauptmann Karl von Moor in „Die Räuber“ im Folgenden sagt, ist auch heute noch aktuell, wenn man etwa an die Praktiken der innerkirchlichen Geheim-organisationen Opus Dei oder auch andere sektierische Gruppen in der Kirche denkt: „Ihr scheut Euch nicht,“ so von Moor, „vor Kreuz und Älteren zu knien, zerfleischt Eure Rücken mit Riemen und foltert Euer Fleisch mit Fasten, ihr wähnt mit diesem er-bärmlichen Gaukelein demjenigen einen blauen Dunst vorzumachen, den Ihr Toren doch den Allwissenden nennt, nicht anders, als wie man der Großen am bittersten spottet, wenn man ihnen schmeichelt, dass sie die Schmeichler hassen.“

Schiller hat einmal gesagt: „Es ist gewiß von einem sterblichen Menschen kein größeres gesprochen worden als dieses Kantische.“

„Bestimme Dich aus Dir selbst!“

Genau gegen dieses Prinzip ist das kirchliche Denken gerichtet! Die Kirche hatte stets eine Aversion gegen jegliches Bestreben, aus eigenem Antrieb, aus sich selbst heraus, aus eigener Kraft ein ethisches Leben zu führen. Darin sah sie stets pelagianische (selbster-lösende) Ketzerei und Rebellion gegen ihre Autorität. In diesem Sinne haben auch beide Amtskirchen die lutherische Rechtfertigungslehre unterschrieben, die den Glauben grundsätzlich über die Ethik stellt. Gute Taten sind danach, wenn sie nicht aus dem Glauben und der Gnade entspringen, im Grunde wertlos.

Auch die katholische Kirche entmündigt ja den Menschen, zumal sie faktisch die Möglichkeit der Gewissenskontrolle durch die Kirche beinhaltet. Die Politik ganzer Staaten und Länder wurde negativ beeinflusst, dass Priester, insbesondere Jesuiten (Papst Franziskus), die Beichtväter von Kaisern, Königen und Fürsten waren.

Und schließlich muss noch auf das Christus-Dogma hingewiesen werden, wonach Christus die Sünden aller Menschen auf sich genommen habe. Dieses Dogma kommt der Ver-nichtung aller Ethik gleich – so gebietet sich die gegenwärtige oberflächliche Gesellschaft.

Denn wenn ein Mensch nicht über seine eigenen Sünden, seine eigene Schuld, seine eigene Schlechtigkeit verfügt, verfügt er logischerweise auch nicht über seine eigenen Tugenden, seine eigene Ethik. So stellt sich, wie auch Voltaire meinte, die Frage, wozu ein Mensch eigentlich existiert, wenn Christus seine Sünden auf sich nimmt.

Wie konnte es zur Inquisition kommen?

1. Die individuelle Vernunft und das individuelle Gewissen des Menschen bedeuten gar nichts, weil der aus sich selbst heraus denkende und handelnde Mensch ein Nichts dar-stellt. Nur durch Unterwerfung unter Thron und Altar erwirbt der Mensch überhaupt erst einen minimalen Wert.

2. Die Kirche ist absolut notwendig, um den Menschen erst zum Menschen zu machen. Wendet man sich von der Kirche und dem Staat ab, verliert man seinen Wert und seine Menschenrechte. Das ist doch im Grunde auch heute noch die Ideologie des Kirchen-staates Deutschland, weil hier eben die Kirche im Widerspruch zum Gegensatz Staats-kirche ist, alle anderen Religionsgemeinschaften als Sekten hinstellt und sie vom Staat, von willfährigen Politikern verfolgen lässt.

Nazi-Regime und die Bundesrepublik

König Philipp II. in „Don Carlos“ kündigt ungeheure Blutbäder im Dienste der katho-lischen Machthaber zu verwirklichen: „Die Welt ist noch auf einen Abend mein. Ich will ihn nützen, diesen Abend, dass nach mir kein Pflanzer mehr in zehen Menschenaltern auf dieser Brandstatt ernten soll. Er brachte der Menschheit, seinem Götzen, mich zum Opfer; die Menschheit büße mir für ihn!“

Es drängt sich ein weiterer Vergleich zwischen König Philipp II. und Adolf Hitler gerade zu auf! Erkennen wir doch, wie der religiöse Fundamentalismus der katholischen Kirche zu den gleichen Katastrophen geführt hat wie der Rassenwahn des Nazi-Regimes. Und wer, den bestimmenden Parteien unserer Bundesrepublik folgend, jeglichen Vergleich zwischen Nationalsozialsmus und Inquisition moralisch zu verbieten, oder für anti-semitisch zu erklären sucht, disqualifiziert sich selbst.

Hier bewahrheitet sich einmal mehr die Feststellung des amerikanisch-jüdischen Politologen und Sohnes von Holocaustüberlebenden, Norman Finkelstein, der in seinem Klassiker „Die Holocaust-Industrie“ konstatiert: „ ’Das kann man nicht vergleichen’ ist der Glaubenssatz moralischer Erpresser.“

Einmal mehr wird in „Don Carlos“ das erschreckende Menschenbild des Großinquisitors deutlich, das im Kern mit dem Menschenbild heutiger Kirchenfürsten konform geht, die den Menschen heute zwar nicht mehr vernichten können, aber im Grunde verachten:

„Wozu Menschen? Menschen sind für Sie nur Zahlen, weiter nichts. Muß ich die Elemente der Monarchenkunst mit meinem grauen Schüler überhören?“

Aus einer Sicht muss also ein Monarch, überhaupt jeder Herrscher, ein Verbrecher sein, ein Mensch nämlich, für den Menschen nur Nummern („Zahlen“) sind, die keine Rechte haben und deren Pflicht es ist, sich einem noch so verbrecherischen und grausamen Herrscher gegenüber in bedingungslosen Gehorsam zu üben.

Zurecht wurde beklagt, dass die Nummern, die die Auschwitz-Häftlinge tragen mussten, die menschenverachtende Haltung des Nazi-Regimes gegenüber dem menschenlichen Individuum symbolisierten. Aber genau die gleiche menschenverachtende Haltung offen-bart hier ohne jeden Zweifel der Großinquisitor mit seiner Rede von den Menschen als Zahlen.

Aber erinnert diese Situation nicht an die politischen Verhältnisse im heutigen Deut-schland? Menschen kommen ohne vernünftigen Grund vor Gericht oder ins Gefängnis, weil sie „politisch inkorrekte“ Standpunkte vertreten. Verleger bzw. Buchhändler werden eingesperrt, weil sie das vermeintlich falsche Buch herausgeben oder verkaufen. Und harmlose Bürger müssen polizeiliche Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss, über sich ergehen lassen, weil sie mehr als drei Exemplare der Wieland Körner-Broschüre „Die neue Sicht von Auschwitz“ bestellt haben, die nicht ein einziges gegen ein Volk oder eine Rasse gerichtetes Wort beinhaltet und sich von A bis Z bei der Faktenlage an die Recherchen und Ausführungen des leitenden „Spiegel“-Redakteurs Fritjof Meyer hält.

In einer solchen Zeit braucht man Charakterstärke, um sein Rückgrat nicht brechen zu lassen, und diejenigen, die geradlinig für ihre Überzeugung kämpfen, träumen in der Tat „die schönsten Träume von Freiheit“. Und so mögen sich alle Verleumdeten ungerecht Verfolgten und Inhaftierten im heutigen Deutschland, mit den wunderschönen Versen aus Schillers „Ode an die Freude“ trösten:

„Festen Mut in schwerem Leiden,
Hilfe, wo die Unschuld weint,
Ewigkeit geschwornen Eiden,
Wahrheit gegen Freund und Feind,
Männerstolz vor Königsthronen, -
Brüder, gält’ es Gut und Blut –
Dem Verdienste seine Kronen,
Untergang der Lügenbrut!“

Und in der Tat muss man auch im heutigen Deutschland große Opfer in kauf nehmen, wenn man unbequeme Wahrheiten auszusprechen wagt. Man wird aufs Schlimmste angefeindet, verliert seinen Leumund, kommt vor Gericht oder ins Gefängnis oder muss, wie der Studienrat Schnick, der lediglich Hitler mit Stalin oder anderen Massenmördern gleichsetzte, vor Gericht erstreiten, dass man nicht psychiatrisch (siehe Gustl Mollath, Inge Hannemann) untersucht wird!

Gegen Schnick wurde, wie in einem großen Magazin zu lesen war, eine schier unbe-schreibliche Hexenjagd inszeniert, an der sich auch ein fanatischer Mediziner beteiligte. Als einer der recht zahlreichen Kritiker Schnicks den Arzt aufgrund eigener aufge-kommender Skrupel fragte, ob nicht die Gefahr bestehe, der Lehrer könne sich das Leben nehmen, antwortete der Akademiker, dann sei es um so besser!

Schiller ist der Auffassung, die Wahrheitsliebe könne einen Menschen zu gleichen Opfer-bereitschaft motivieren wie ein System der Lüge. Nach Meinung des Dichters kann sich der Mensch gleichermassen bedingungslos für die Wahrheit wie für die Lüge einsetzen:

„Wenn die Geschichte reich an Beispielen ist, dass man für Meinungen alles Irdische hintansetzen kann, wenn man dem grundlosesten Wahn die Kraft beilegt, die Gemüter der Menschen auf einen solchen Grad einzunehmen, dass sie aller Aufopferungen fähig gemacht werden, so wäre es sonderbar, der Wahrheit diese Kraft abzustreiten.“

Allerdings sind beispielsweise zugunsten des inquisitorischen, nationalsozialistischen oder bolschewistischen Wahns logischerweise geringerer Mut, geringere Opfer-bereitschaft vonnöten als zugunsten eines gegen die mächtigsten Systeme gerichteten Freiheitskampfes.

Ohne Zweifel ist sich Schiller in besonderem Maße des enthusiastischen Idealismus großer Menschen bewusst, die für ihre Überzeugung durchs Feuer zu gehen bereit sind, während andere genußorientiert denken oder um Wahrung ihrer gesellschaftlichen Position bemüht sind:

„Begeisternde Wahrheiten und eine seelenerhebende Philosophie müssten, deucht mir, in einer Heldenseele zu etwas ganz anderm werden als in dem Gehirn eines Schulgelehrten oder in dem abgenützten Herzen eines weichlichen Weltmannes.“

„Die Großen hören auf zu herrschen, wenn die Kleinen aufhören zu kriechen.“

Fortsetzung folgt…

Johann Christoph Friedrich von Schiller (* 10. November 1759 in Marbach am Neckar, Württemberg; † 9. Mai 1805 in Weimar, Sachsen-Weimar), 1802 geadelt, war ein deutscher Dichter, Philosoph und Historiker.

Er gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dramatiker und Lyriker. Viele seiner Theaterstücke gehören zum Standardrepertoire der deutschsprachigen Theater. Seine Balladen zählen zu den bekanntesten deutschen Gedichten.

Schiller gehört mit Wieland, Goethe und Herder zum Viergestirn der Weimarer Klassik.

Video: Die Räuber (Hörspiel aus dem Jahre 1955)

Quellen: PRAVDA-TV/Auszüge aus Markus Myranek Spiritualität, Religion, Kirche bei Friedrich Schiller, ISBN 978-3-89924-333-8,  vom 16.05.2013

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